Unter Segeln

Wie findet man das Gleichgewicht zwischen Performance, Handhabung und Kosten?

Nach einigen Zwischenschritten und Erfahrungen mit anderen Yachten und Schiffen haben wir auf unserem F41-Katamaran ein Gleichgewicht zwischen diesen drei Polen gefunden.

Effektiv sind traditionelle Segel wie z.B. Gaffelsegel, die einer Ellipsenform nahe kommen und dadurch den Wind effektiv nutzen können. Die Performance der üblichen Dreieckssegel ist eingeschränkt. Diese entstanden durch die Wettleidenschaft der Briten, die bei Segelrennen auf der Themse Ausgleichsformeln für verschiedene Schiffe entwickelten.
(Sciarelli: „Die Yacht. Ihre Herkunft und ihre Entwicklung“ https://www.amazon.de/dp/B001YYM2L6/ref=cm_sw_em_r_mt_dp_X59D283SCQ4CQMBQAK72)
Eine dieser Formeln bestrafte die Größe der Gaffel, was zur heutigen Form der dreieckigen Großsegel führte. Auch sind dreickige Hochriggs im Gegensatz zu Gaffelsegeln von einer kleineren Crew einfacher bedienbar, erfordern aber stabilere Materialien.

Bei modernen Riggs, die nicht von Regatta-Vermessungsformeln eingeschränkt sind, sind kommt die Gaffel in Form des effektiven Square-Segels wieder zurück – Gut zu sehen bei den Amerikas Cup Yachten, beim Volvo Ocean Race (VO65 und Imoca 60) oder der A Kat Klasse.

Touren-Katamarane haben auch eine entsprechende Segel-Latte im Top. Unser Großsegel wird auf einen Leisure-Furl Baum aufgewickelt, was wir aus Komfort- und Kostengründen beibehalten haben, obwohl dieses Rollsegel etwa 25 % Leistung kostet – verglichen mit einem voll durchgelatteten Squaretop-Segel. Mittlerweile finden wir die stufenlose Reffmöglichkeit per Knopfdruck sehr gut und haben es uns zu eigen gemacht, etwas später zu reffen, als wir es mit einem High Performance Squaretop-Segel machen müssten. Das schont Nerven und Power. Eingeschränkt ist lediglich die Höhe am Wind, die wir mit diesem Segel laufen können. Ein High-End Segel würde da wohl 5 ° höher ran gehen. Das liegt auch daran, dass die Latten in einem nut-geführten Segel nur die Hälfte des horizontalen Drucks ausüben können, wie eine Latte, die in einem Rollwagen sitzt. Das Flachtrimmen des Großsegels hat also seine Grenzen.

Die Höhe am Wind ist bei einem Kat verglichen mit schlanken Einrümpfern geringer. Deshalb machen Investitionen in Segel, die die Höhe am Wind fördern, wenig Sinn. So sind 3D-Segel, die die vom Designer gewählte Profilform wunderbar halten, bei Katamaranen daher überflüssig.

Wir haben in den letzten drei Jahren mit unserem Kat nur einmal die volle Höhe am Wind ausgenutzt, die unser F41 mit seinen zwei Schwertern fahren kann: Wir segelten zwei Tage an der englischen Südküste bei NW hoch am Wind gegenan. Mit gerefftem Groß und Arbeitsfock hatten wir bei 22 kn Wind immerhin noch 13 kn Speed. Das führte jedoch dazu, dass jede dritte Welle bis ins Cockpit überschlug und die Gischt des Backbord-Bugs als Fahne 15 Meter weit nach Achtern blies. Vollkommen erschöpft und mit Salzwasser getränkt in Falmouth angekommen, beschlossen wir diese ungemütliche Performance-Möglichkeit unseres Bootes in Zukunft nicht mehr zu nutzen.

Ein flacher Segel-Trimm an Bord eines Kats hat andere Grenzen als auf Monohulls. Die große Breite und konstruktiv bedingte Grenzen lassen nicht die Riggspannungen zu, die auf Einrümpfern möglich sind. Wir haben ältere Serienkatamarane erlebt, die so weich waren, dass wir die Wantenspanner vollkommen lose schrauben konnten, ohne dass sich die Drähte lösten, denn die Rümpfe senkten sich einfach mit nach unten. Spannt man dann die Wanten so stark wie auf Einrümpfern gewohnt, dann klemmen bei diesen Katamaranen die Türen!

Bei Katamaran Rigg-Designs wird das Mastprofil von den Diamantverstagungen definiert. Der Mast wird nur vom Vorstag und dem Luv-Want gehalten. Das in Lee stehende Want hängt lose durch. Manche spannen es sogar mit langen Gummis nach achtern, damit es nicht herumbaumelt. Auf unserem F31-Trimaran konnte man das Luv-Want an einem Gelenk mit einer 8-fach geschorenen Talje nach achtern spannen, wodurch der Mast um bis zu 12 Grad nach Luv getrimmt wurde. Bei 15 Grad Krängung stand der Mast also nahezu aufrecht. Das gab Power – auch weil durch die achterliche Spannung im Rigg die beiden Vorsegel (Fock und Code 0 am Klüverbaum) besser durchgesetzt werden konnten.

Segelplan F41 mit Groß, Fock, Code 1 und Code 0
Großsegel (2018, Grant Piggot)
Großsegel mit Leisure Furl Baum und Mast mit Diamantverstagung
Großsegel und Fock - hoch am Wind. Vorne der aufgerollte Code 0.

Vorsegel-Performance ist auf einem Kat entscheidend.

Nicht nur, weil das Hoch-am-Wind-Segeln ungemütlich ist, sondern weil die damit erreichten Geschwindigkeiten uns entsprechende Sicherheit geben. Vorsegel entlasten den Druck auf das Vorschiff. Sie ziehen uns sozusagen aus dem Wasser leicht nach oben, während das Großsegel uns vorne immer wieder tief ins Wasser drückt. Wir haben tagelange Passagen so geplant und gesegelt, dass wir mit unserem Code 1 als einzigem Segel durchschnittlich über 8 kn fuhren. Damit wir unsere Vorsegelpower bei jedem Wind ausnützen können, haben wir mittlerweile drei davon permanent im Einsatz (Code 0, Code 1 und Fock).

Gelernt haben wir das von den Volvo Ocean Racern (VO65). In einer Konstruktionsklasse, in der alle Boote genormt sind, schert sich niemand um Verrechnungsformeln und den sich daraus ergebenden Performance-Einschränkungen.

Deshalb ist es sinnvoll, sich diese Boote einmal genau anzusehen: Was mir auffiel, waren voll durchgelattete profilierte Squaretop-Großsegel und die Möglichkeit drei Vorsegel gleichzeitig zu fahren. Außerdem fehlt der Spinnaker in der mitgeführten Segelgarderobe! So wird vor dem Wind gekreuzt, weil das einfach schneller ist. Das erinnerte mich an den Spaß mit unserem F31 Trimaran hatten. Stellt Euch einen schönen Sonntag auf der Elbe mit Sonne, 8 kn Nordost-Wind vor. Vielleicht noch 3 kn ablaufendes Wasser. Dann fahren alle Bleitransporter (Monohull-Yachten) in Wedel raus und es gibt ein wunderschönes Bild von bunten Spis über den ganzen Horizont. Nachdem alle raus waren, haben wir ohne Spi die Elbe zum Hanskalbsand gequert, um zurück auf der Elbe höher am Wind zu segeln.

Dann geht es los: 5 kn Wind mit 4 kn Speed. Bei 10 kn scheinbarem Wind hebt sich der Steuerbord-Schwimmer aus dem Wasser und bei 12kn Speed bei 20 kn scheinbarem Wind hebt sich der Mittelrumpf. Bei 16 kn Speed fahren wir mit fliegendem Rumpf und dichtgeknallten Segeln hoch am scheinbaren Wind und holen das Regattafeld ein.

Eine Yacht nach der anderen überholen wir und die meisten verstehen nicht, dass wir im gleichen Wind fahren – nur eben anders. Es kommt nur auf den Widerstand im Wasser und den scheinbaren Wind an: Eissegler schaffen bei 10 kn Wind über 40 Knoten Speed! Moderne, foilende Schiffe (wie z.B. die Seaexplorer von Boris Hermann) fahren meist mit achterlichen Winden mit dichtgeknallten Vorsegeln hoch im scheinbaren Wind.

Wichtig dafür sind schlank geschnittene Segel, die man Code 0-3 nennt. Wir fahren einen Code Zero von 75 qm aus leichtem Carbon ganz vorne auf dem 2,40 m langen Klüverbaum. 50 cm weiter nach Achtern ist der Code One angeschlagen, ein 65 qm doppelt laminiertes Foliensegel mit Carbon-Schicht. Am Bug kommt dann die 35 qm große, stufenlos reffbare Rollfock aus doppelt beschichtetem Gewebe und dunkelblauer Sonnenschutzkante. Die beiden Hightech-Vorsegel sind von Frank Schönfeld / Julius Raithel von Clownsails in Hamburg gebaut worden. Unser neues durchgelattetes Großsegel aus Dacron mit 60 cm Squaretop-Latte bringt 62 qm in den Wind und wurde beim Segelmacher Grant Piggot in England / Hamble River gebaut, der auch die bestehende Fock mit einem Sonnenschutz und Alu-Schothorn exzellent verstärkt und damit auch in der Performance verbessert hat.

Unterwegs auf langer Fahrt:

Bei Langstrecken versuchen wir eine Mindestgeschwindigkeit von 5 kn für ein Etmal (Wegstrecke in 24 Std.) von mindestens 120 sm zu halten. Das gelingt mit 240 qm Segeln schon ab 5 kn wahrem Wind. Unsere besten Etmale liegen bei 250 sm.

Schon 2012 hatte ich mir auch die 5 kn als Mindestperformance gesetzt, als wir die Roter Sand auf der Wikinger Route über den Nordatlantik von Hamburg über die Shetlands und Neufundland nach Quebec überführt haben. Mit der 81 Fuss langen 70t schweren Gaffelketsch mit traditionellem Rigg habe ich dann Motorsegeltechniken entwickelt, die auf dem Kat ganz neue Anwendung gefunden haben.

Dazu mehr unter der Rubrik >> Ohne Wind.

Roll-Fock (Hyde) und Code 1 (Clownsails 2020)
Fock mit Furler am Vorstag und Code 0 am Klüverbaum
Code 1 und Code 0 im Schmetterling
Blistersegel für Leichtwind
Blistersegel mit Furler - nur für absoluten Leichtwind
160 qm Spinnaker - sieht hübsch aus, wurde aber nie benutzt, da das Schiff dafür zu schnell wird.